Das Corporate Social Creditsystem in China – und was es für Sie bedeutet
Mit dem Sozialkredit- oder Bonitätssystem überwacht der chinesische Staat seit einigen Jahren das Verhalten und die Handlungen seiner BürgerInnen. Ziel ist der „gute Mensch“, der sich an Regeln und Gesetze hält. Aber auch (ausländische) Unternehmen stehen seit 2020 ständig unter Beobachtung. Was das für Sie bedeuten kann, möchte ich Ihnen in diesem Beitrag zeigen.
Ein Punktesystem, das gute und schlechte Handlungen erfasst, zeigt die Bilanz des individuellen Verhaltens. Punkteabzug gibt es z.B., wenn man sich nicht genug um seine Eltern kümmert. Einen Punktegewinn bringen u.a. Blut- oder Knochenmarkspenden.
200 Millionen Überwachungskameras mit Gesichtserkennungssystemen sollen verhindern, dass man bei Rot die Straße überquert. Das Einkaufsverhalten kann über Alipay nachverfolgt werden. Der Konsum von zu viel alkoholischen Getränken kostet Punkte. Ein schlechter Punktestand führt z.B. zur Einschränkung der Mobilität: Bereits Ende 2018 durften 17 Millionen sogenannte „diskreditierte“ Bürger nicht mehr fliegen. Rund 5 Millionen konnten nicht mehr in einem Hochgeschwindigkeitszug reisen.
Big Data – Big Brother? Die chinesische Perspektive
„Die Berge sind hoch und der Kaiser ist weit“. Nach diesem Motto haben die chinesischen Provinzen oder Menschen jahrhundertelang Vorgaben und Gesetze aus Peking – ob vom Kaiser oder von der kommunistischen Regierung – kreativ „interpretiert“. Die Kontrolle eines Landes mit einer riesigen Bevölkerung war immer schon aufwendig. Und spätestens die Coronakrise hat uns in Deutschland gezeigt, wie schwierig es für Verwaltungen sein kann, Anordnungen für nur 83 Millionen Menschen umzusetzen.
Die Digitalisierung perfektioniert die Kontrolle
Für die chinesische Regierung sind nun die digitalen Werkzeuge ein hervorragendes Mittel, um ihre Bevölkerung zu überwachen. Sie nutzt die Möglichkeiten von Big Data und künstlicher Intelligenz auch für das Ziel, sozialkonforme und staatstreue BürgerInnen zu formen. Zusätzlich unterliegen auch in- und ausländische Unternehmen in China der ständigen Kontrolle.
Das Corporate Social Credit System (CSCS)
Das staatliche Scoring der „Vertrauenswürdigkeit“ von Unternehmen bezieht sich auf verschiedenste Bereiche: Von der Einhaltung von Umweltauflagen über die Zahlungsmoral bis hin zum Verhalten von Managern und Geschäftspartnern. Bei guten Werten winken Vorteile wie niedrigere Steuersätze, bei schlechten Strafen bis hin zum Marktausschluss.
In einer Metadatenbank namens National Internet+ Monitoring System sollen verschiedene Bewertungen und Kennzahlen über Unternehmen zusammenfließen, die es bereits gibt. Zusätzlich werden Daten privater Ratingagenturen und Informationen aus der Videoüberwachung einbezogen.
Anforderung für (deutsche) Unternehmen
Auch die 5200 deutsche Firmen, die bereits in China aktiv sind, müssen eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen, um ein positives Rating zu erhalten und zu behalten. Eine Möglichkeit, sich der Bewertung zu entziehen, besteht nicht. Neben dem Verbot von Geschäftsaktivitäten drohen Sanktionen wie schlechtere Kreditbedingungen, höhere Steuern und Zölle sowie ein erschwerter Zugang zu öffentlichen Aufträgen.
Hohe Verantwortung von Führungskräften
Sogar das persönliche Fehlverhalten eines verantwortlichen Mitarbeiters verschlechtert das Punktekonto des Unternehmens. Und auch die Geschäftsbeziehungen zu Partnern, die schlecht bewertet sind, wirken sich negativ auf das eigene Rating aus. Dies zwingt Unternehmen dazu, Geschäftspartner (fortlaufend) zu zertifizieren. Mit schlecht bewerteten Unternehmen sollen keine Geschäfte mehr betrieben werden.
Digitalisierte Version des Guanxi-Systems?
Mich erinnert die Praxis des CSCS an das traditionelle Guanxi-System in China. Dort regeln nicht vertragliche Vereinbarungen das geschäftliche Miteinander, sondern ein gegenseitiges Vertrauenssystem. Betrügt in diesem System ein Partner, so ist er aufgrund perfekt funktionierender „Buschtrommeln“ schnell und nachhaltig diskreditiert – ebenso wie derjenige, der sich für eine Geschäftsbeziehung bei einem neuen Partner verbürgt hat. Wie sagt man in China: „Westliches zum Gebrauch, Chinesisches als Substanz“.
Was bedeutet das alles für Sie?
Wieder einmal gilt: Sorgen Sie dafür, dass Ihre zu entsendeten Mitarbeiter intensiv und qualitativ hochwertig auf ihre Expatriatetätigkeit vorbereitet werden! Etikettekurse sowie Dos & Dont’s sind nicht ausreichend! Um die eigenen Interessen in China durchsetzen und eigene Strategien entwickeln zu können, müssen Sie die Marktbedingungen und die Denkweise kennen. Lernen wir von den Chinesen. Die sagen nämlich: “Geht in den Westen, holt ihr Wissen und schlagt sie mit ihren eigenen Waffen.“
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