Was ist eigentlich Guanxi?
Asienerfahrene wissen es: In Fernost spielen die guten Beziehungen zwischen den Geschäftspartnern eine große Rolle. Was aber genau steckt hinter dem chinesischen Begriff „guanxi“, bei uns gemeinhin (unzureichend) mit „Beziehungen“ übersetzt? Können westliche Akteure überhaupt ein funktionierendes Netzwerk aufbauen? Und wie sollten sie es pflegen?
Guanxi – mehr als eine Mitgliedschaft bei LinkedIn oder Xing
Sind Sie Mitglied in den geschäftlichen Netzwerken LinkedIn oder Xing? Dann werden Sie schnell feststellen, dass die überwiegende Zahl der Teilnehmer dort allenfalls mit einer Art „Visitenkarte“ präsent ist. Anfragen werden nicht beantwortet, Verlinkungswünsche ohne Kommentar und folgenlos bestätigt. Es kann auch passieren, dass man Sie empört darauf hinweist, nicht von Ihnen belästigt werden zu wollen. In Bezug auf das socialNETwork müssen wir noch ein wenig üben.
Ganz anders sieht das in Asien aus. Guanxi bedeutet konkret ein verbindliches und wechselseitiges Geben und Nehmen. Haben Sie schon einmal beobachtet, wie viel Ihre chinesischen Gäste bei einem Deutschlandbesuch einkaufen? Viele Menschen zu Hause müssen bedacht werden. Guanxi ist auch eine Absicherung gegen alle möglichen Hindernisse. Da es um die Vertragssicherheit meist nicht gut bestellt ist, die persönliche Sicherheit z.B. in China nicht selbstverständlich gewährleistet ist, muss der Einzelne ein eigenes Sicherheitsnetz und Sprungtuch knüpfen.
Guanxi im Geschäftsleben
Gute Beziehungen (auch zu Verwaltung oder politisch einflussreichen Kreisen) sind oft der einzige Weg, um überhaupt einen Marktzugang zu erhalten. Sie helfen beim Finden qualifizierter Mitarbeiter. Über sie kann man Informationen über den Ruf des potentiellen Geschäftspartners erhalten. In Krisensituationen können sich Guanxi-Partner als Mediatoren oder problemlösende Kraft erweisen.
Können westliche Geschäftspartner ein eigenes Guanxi-Netz aufbauen?
Einfach ist es sicher nicht und auch zeitaufwendig. Aber wenn Sie gute Geschäftsbeziehungen haben, kann dies der Anfang sein. Pflegen Sie Ihre Kontakte, indem Sie zu Feiertagen oder zu persönlichen Anlässen Grüße und Glückwünsche schicken. Stehen Sie mit Rat und Unterstützung zur Verfügung, wenn die Kinder Ihrer Geschäftspartner eine geeignete Hochschule in Deutschland suchen. Finden Sie heraus, wie Sie Ihren Partnern über das geschäftliche Thema hinaus einen Gefallen tun können. Sie werden feststellen, dass Sie einen verlässlichen und treuen Partner gewinnen, der Ihnen ebenfalls Unterstützung gewährt.
Guanxi – in China eine sehr materielle Angelegenheit
An einem Beispiel aus China möchte ich Ihnen zeigen, dass Guanxi auch eine sehr materielle Seite hat. Angela Koeckritz beschrieb dies in einem Artikel in DIE ZEIT vom 6. März 2014, S.10:
„Ein wichtiges Ritual des chinesischen Alltags ist die Beziehungspflege, dazu gehören Geschenke, Aufmerksamkeiten, in rote Kuverts verpacktes Bargeld. Und diese Geschenkekunde ist vor allem in der Provinz, wo man sich kennt, eine hochkomplexe und teure Angelegenheit. So gibt die Cousine von Fu Daren für Geschenke jährlich umgerechnet fast 4740 Euro aus, das ist die Hälfte ihres Jahresbudgets. Selbst Menschen, die sie nur flüchtig kennt, muss sie 200 Yuan (ca. 23 Euro) zum Geburtstag schenken. Der Chef erhält zu solchen Anlässen mindestens 1000 Yuan (ca. 118 Euro). Es gibt unzählige Verpflichtungen. Hochzeiten, Begräbnis, Neujahr, der einmonatige Geburtstag eines Neugeborenen, der Eintritt in die Hochschule. Das ist nur ein Teil der Ausgaben in der Familie, denn der Ehepartner muss sein Beziehungsgeflecht analog pflegen.“
(Aus: Seelmann-Holzmann, Der Asiencode. Die geheimen Spielregeln im Asiengeschäft kennen und nutzen)
Wir wissen, dass diese Praxis schon durch die Compliance Regeln in den Unternehmen bei uns offiziell verboten ist. Aber auch, wenn Sie bei kleinen Geschenken die Vorliebe Ihres Partners berücksichtigen, ist das ein wichtiger Beitrag zur Beziehungspflege.
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