Produkt- und Markenschutz in Asien: Cogito ergo fake?
Unterschiedliche Interpretationen des geistigen Eigentums gehören aus westlicher Perspektive zu den Hauptschwierigkeiten im China-Geschäft. Das Land gilt mittlerweile als größte Fälschernation der Welt. Aber auch in Indien und anderen asiatischen Märkten kann man nicht sicher sein, dass die internationalen Richtlinien zum Produkt- oder Markenschutz eingehalten werden. Wie immer ist es spannend, wie asiatische Menschen über dieses Thema denken. Ich möchte Ihnen deshalb heute einmal die chinesische Sichtweise darstellen.
Produkt- und Markenschutz in Asien: „Wo sollen die Ideen denn herkommen, wenn wir sie nicht stehlen?“
Dieses Zitat stammt aus der amerikanischen Zeichentrickserie der Simpsons und beschreibt eine häufig anzutreffende Praxis in China. Global Player und mittelständische Hidden Champions müssen erleben, dass ihre Technologie nicht mehr zu schützen ist. Nach Schätzungen des VDMA verursacht Produktpiraterie an deutschen Maschinen- und Anlagenbauern jährlich einen Schaden von rund acht Milliarden Euro. Dieser Umsatzverlust entspricht, so der Verband, etwa 37.000 Arbeitsplätzen.
Vor einiger Zeit hatte ich Gelegenheit, einen Einblick in die Denkweise eines chinesischen Geschäftspartners zu bekommen, der ganz selbstverständlich die Produkte seines deutschen Partners auf dessen eigenen Maschinen imitierte.
Produkt- und Markenschutz in Asien: Auf die Schultern eines Riesen steigen
Wenn die eigene Größe nicht reicht, stelle man sich einfach auf die Schultern eines Riesen und nutze dessen Größe, sagen die Chinesen. Konkret bedeutet dies, dass man doch nicht selbst langwierig und kostenintensiv Produkte entwickeln muss, wenn das schon ein anderer tat. Immer wieder wird darauf verwiesen, dass (wie im Westen) die Kopie eigentlich das größte Kompliment sei und dass traditionell in vielen Ländern Asiens geistiges Eigentum nicht als Privatbesitz gilt. Aber mein chinesischer Gesprächspartner verwies noch auf weitere Aspekte.
„Macht es wie das Wasser, passt euch dem Boden an“
Als ich meinem chinesischen Gesprächspartner sagte, dass die unerlaubte Kopie eines Produktes für uns eine Rechtsverletzung, ja Diebstahl, darstelle, wollte er von mir wissen, ob ich Kong-fu-tse oder Lao-tse kenne? Die Lehren dieser Philosophen hätten die Denkweise chinesischer Menschen geprägt. Ein Aspekt dieser Denkweise sei es, dass man sich das Wasser zum Vorbild nähme. Wasser erreiche immer sein Ziel. Es umginge Hindernisse, flösse um Widerstände. Und ein weiteres Lebensprinzip sei das Streben nach Mittelmaß, das Vermeiden von Extremen. Weder zu weich noch zu hart. Im Geschäftsleben bedeute dies: eine win-win-Situation, die beiden Partnern Vorteile bringe.
Eine Win-win-Situation ist nach Meinung vieler Chinesen nicht vorhanden
Nach Meinung meines Gesprächspartners ist in vielen Geschäftsbeziehungen diese win-win-Situation nicht gegeben. China sei immer groß und mächtig gewesen, den europäischen Mächten ebenbürtig. In den vergangenen zwei Jahrhunderten wäre allerdings ein Ungleichgewicht entstanden. Dieses wirtschaftliche Ungleichgewicht sei auch zurückzuführen auf die gewaltsame Öffnung Chinas durch den Westen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Westen habe sich in China bereichert, viel Geld verdient. Nun wolle China aufholen. Man habe aber keine 100 Jahre Zeit, um eigene Produkte zu entwickeln. Es müsse alles schnell gehen im Reich der Mitte. Zu diesem Zweck müsse man jetzt die westliche Technologie kopieren oder in Gemeinschaftsunternehmen erlernen. Wenn man dann mit dem Westen technologisch gleichgezogen hätte, würde man auch eigene Produkte entwickeln. Und bis dahin sollten also die westlichen Geschäftspartner von ihren Ansprüchen abrücken.
Produkt- und Markenschutz in Asien: Offizielle Haltung in China
Mit dieser Sichtweise ist mein Gesprächspartner nicht allein. Auch offizielle Vertreter Chinas formulieren offen eine ähnliche Einstellung. So kommentierte Zhao Xiao, Chefökonom des Departments für makroökonomische Strategie beim Staatsrat Chinas in einem Interview das Thema Produktpiraterie: „Zugegeben: Wir kümmern uns auch nicht so sehr um Copyrights: Das mag man uns vorwerfen, aber so ist es nun einmal.“
So ist es nun einmal.
Und nicht nur in China.
Produkt- und Markenschutz in Asien: Konsequenzen für westliche Investoren
Trotz WTO-Beitritt und nachfolgender Gesetze zum Produktschutz in China muss jedem Anbieter oder Investor klar sein: Es gibt keinen durchgängig funktionierenden Schutz vor Nachahmung in China.
Deutsche Anbieter können sich nur praktisch schützen: Indem sie eben nicht die neueste Technik und alle technischen Unterlagen nach China transportieren. Indem findige Ingenieure praktische Vorkehrungen treffen, damit zum Beispiel ein säumiger Schuldner zahlt. Ich stelle immer wieder fest, auf welch kreative Lösungen meine Kunden kommen, wenn sie um die grundsätzliche Bedeutung des Problems wissen.
Produkt- und Markenschutz in Asien: Opfer sind nicht nur die ausländischen Investoren
Dass Fälschungen auch innerhalb Chinas zur Tagesordnung gehören und zuweilen tödliche Folgen haben können, zeigen viele Lebensmittelskandale. Das verseuchte Milchpulver ist hier nur ein besonders drastisches Beispiel. Chinesen prüfen deshalb misstrauisch und aufmerksam, was ihnen ihre eigenen Landsleute anbieten.
Ist die eigene Mutter echt?
„In China kann man sich nur sicher sein, dass die eigene Mutter echt ist“. Auch diese Aussage ist mittlerweile überholt. So ist es gängige Praxis unter chinesischen Karrierefrauen, dass diese ihr Kind von einer Leihmutter austragen lassen. Die Einschränkungen einer neunmonatigen Schwangerschaft sind oft nicht mit den Anforderungen einer anspruchsvollen Berufstätigkeit zu vereinbaren.
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