Warum wir keine Asiaten werden
Zu den Standardfragen in meinen Firmenveranstaltungen gehört: „Wann werden die Asiaten denn wie wir?“ In diesem Jahr musste ich oft über diese Annahme schmunzeln. Die Coronapandemie hat auch in Bezug auf diese westliche Erwartung einiges auf den Kopf gestellt. Das möchte ich Ihnen in diesem Artikel zeigen.
„Wann werden die denn wie wir?“
Diese Frage taucht regelmäßig in meinen Firmenveranstaltungen auf. Unser eigener kultureller Chip lässt uns sehr an die Überlegenheit unserer Werte oder unseres Lebensstils glauben. Viele von uns sind überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch asiatische Menschen dies einsehen. Wandel durch Handel. Sie kennen diese Schlagwörter.
„Jetzt werdet Ihr wie wir!“
Immer wieder habe ich nun im vergangenen Jahr diesen Satz von asiatischen Kooperationspartnern gehört. Amüsiert stellten sie fest, dass wir uns nun auch nicht mehr die Hand geben, sondern alle (un-)möglichen Gesten zur Begrüßung entdecken. Wenn ich früher immer erklärte, dass man in Asien das Händegeben als unhygienisch empfinde, erntete ich oft verständnislose Reaktionen: „Die sind aber hysterisch“.
Gesichtsmasken als Schutz vor Ansteckung
Ich wurde auch immer wieder gefragt, warum Asiaten oft einen Mund-Nase-Schutz tragen würden. Wenn ich erklärte, dass man das tue, um zum Beispiel die Mitmenschen bei einer Erkältung zu schützen, bezweifelte man meist den Sinn dieser Maßnahme und fand es eher unhygienisch. Wo denn die Nasensekrete landen würden?
Und nun auch: Abstand
Nein, es war wirklich nicht dem Gesundheitsschutz geschuldet, wenn japanische, koreanische oder chinesische Menschen eine größere Körperdistanz wahrten. Allzu große Nähe – oder auch Umarmungen – gelten einfach als unschicklich. Man rückt dem anderen nicht „auf die Pelle“. Vor allem, wenn es sich um fremde Menschen handelt. Aber genüsslich haben meine asiatischen Gesprächspartner auch diese Corona Empfehlung als Annäherung an asiatische Gepflogenheiten interpretiert.
„Warum tut Ihr nicht, was die Regierung sagt?!“
Völlig unverständlich ist es für viele asiatische Menschen auch, warum im Westen gegen coronabedingte staatliche Anordnungen protestiert oder demonstriert wird. Dass in der chinesischen Diktatur nicht gegen Regierungsanordnungen verstoßen werden darf, ist klar. Aber auch in Ländern wie Japan, Südkorea oder in Südostasien betrachtet man den Staat als eine Art fürsorglichen „Vater“, der schon weiß, warum er bestimmte Maßnahmen erlässt. Westliche demokratische Rechtsansprüche von BürgerInnen erscheinen nur als chaotisch und gefährlich.
Wir werden keine Asiaten…
Nein, auch die Coronapandemie wird es nicht schaffen, dass wir Asiaten werden. Aber die Asiaten werden auch nicht zu Europäern mutieren. Wir haben jeweils unsere eigenen kulturellen Überzeugungen, unseren jeweiligen kulturellen „Chip“, der Ergebnis der jeweiligen Geistesgeschichte ist. Unterschiedliche kulturelle Prägungen sind nicht besser oder schlechter. Sondern nur anders.
Eine Zusammenfassung der geistesgeschichtlichen Hintergründe in Europa und Asien finden Sie übrigens in meinem Buch „Cultural Intelligence“.
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