Was bedeuten die großen Verteilerlisten in Mails aus Asien?
Kennen Sie das? Sie erhalten die (Antwort-)Mail eines asiatischen Kollegen und im Verteiler finden sich Ihre Vorgesetzten und deren Vorgesetzten und deren Chefs… Viele Empfänger empfinden dies zunächst einmal als ziemlich irritierend.
Solche Erfahrungen schildern mir meine Kunden immer wieder. Sie sind nicht nur ratlos ob eines solchen Verhaltens, sondern oft auch irritiert und verärgert. „Ich habe nur um eine Stückliste gebeten – und die Antwort geht dann an die halbe Firma!“ Besonders befremdlich fand ein Kunde von mir, dass sogar in der Antwort auf seinen Wunsch „Have a nice evening!“ die Vorgesetzte der chinesischen Kollegin mit einbezogen wurde.
Eskalation?
Die meisten von uns reagieren wohl darauf mit der Frage, warum denn nun diese „Eskalation“ nötig sei. Sprich: Man fühlt sich bei den Vorgesetzen angeschwärzt und weiß gar nicht warum.
Zudem sind die betroffenen Führungskräfte auch verunsichert: Sie vermuten ein größeres Problem. Warum sonst sollten sie bei so einer trivialen und alltäglichen Angelegenheit in Kenntnis gesetzt werden?
Unsere kulturelle Brille steuert unser Verhalten und unsere Logik
Die Antwort ist einfach, auch wenn sie nicht immer erkannt wird: Es ist gar nichts passiert. Nichts soll eskaliert werden. Der deutsche Kollege soll auch nicht in Misskredit gebracht werden.
Die asiatischen Kollegen gehen nur davon aus, dass alle so ticken, wie sie ticken. Und in Asien ist es eben meist so, dass der Vorgesetzte über alles informiert werden muss, weil er letztlich über alles entscheidet. Er entscheidet, er kontrolliert, er greift notfalls ein.
Und weil wir alle unsere kulturelle Brille tragen, durch die wir in die Welt sehen, denken die asiatischen Kollegen, dass das auch bei uns so ist. Gewissenhaft informieren sie also via eines oft umfangreichen Verteilers. Denn wenn sie einen Fehler machen würden, würden die Vorgesetzten dann sofort eingreifen. So die asiatische Logik.
Interpretieren Sie also in Zukunft diese Verteilerlisten nicht als Angriff auf Ihre mangelnden Fähigkeiten oder Ihr zu langsames Arbeitstempo. Erinnern Sie sich einfach daran, dass Firmenorganisationen unterschiedlich strukturiert sind. Bei uns haben die zuständigen Mitarbeiter meist sehr wohl Entscheidungskompetenz bei ihren Aufgaben. In Asien ist das größtenteils nicht der Fall.
Was bedeutet das nun für uns?
„Sollen wir nun auch immer die asiatischen Vorgesetzten in den Verteiler aufnehmen?“, fragen meine Kunden. Das kommt darauf an, hier muss man sich die Entscheidungsstruktur bei den fernöstlichen Partner- oder Kollegenfirmen genauer ansehen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wünscht ein Vorgesetzter in Indien über alles informiert zu werden. Auch in China trifft dies meist zu.
Wichtiger ist jedoch, dass Sie wissen, wie Sie vorgehen können, wenn Sie schnell Antworten oder Entscheidungen benötigen. Da Ihr asiatischer Fachkollege keine Entscheidungsmacht hat, sollten und dürfen Sie sich in solchen Fällen an den jeweiligen Vorgesetzen wenden. Dies wird weder als Angriff noch als „Eskalation“ betrachtet.
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