Warum die meisten Chinesen mit ihrer Regierung zufrieden sind
Vielleicht haben Sie auch in den letzten Wochen die olympischen Winterspiele in Peking verfolgt und sich über die Medaillen unserer SportlerInnen gefreut. Viele Journalisten berichteten von ihren Eindrücken über das Land oder äußerten ihre Kritik am Regierungssystem. Und immer wieder wunderten sich westliche Beobachter, dass die Mehrzahl der Chinesen mit ihrer Regierung sehr zufrieden ist. Woran liegt das?
Der Staat ist der „Vater“
Chinesen sehen ihren Staat nicht als Feind, sondern als „Vater“, der für ihre persönliche Sicherheit und ihr wirtschaftliches Wohlergehen sorgt. Wenn diese beiden Punkte durch Personen oder Entwicklungen bedroht sind, soll und muss der Staat eingreifen. Man toleriert dabei auch Maßnahmen, die für uns im Westen nicht akzeptabel sind.
Lassen Sie uns einmal betrachten, was die Chinesen in den letzten 40 Jahren mit ihren (kommunistischen) Regierungen erlebt haben.
Es gibt keinen Hunger mehr
Hunger war jahrhundertelang die größte Geisel Chinas. Da nur 11% der Fläche landwirtschaftlich nutzbar sind, waren Lebensmittel immer knapp. Regelmäßig suchten verheerende Hungersnöte das Land heim. Die Gefahr des Hungers ist im kollektiven Bewusstsein der Chinesen lebendig. „Hast du heute schon gegessen?“, war früher eine gängige Begrüßungsfloskel. Die leidvollen Erfahrungen haben viele Spuren in Form von Sprichwörtern hinterlassen. Wenn man schwere Zeiten durchmacht, drückt man das mit „Bitternis essen“ aus.
Steigender Wohlstand auch für die Landbewohner
An der Ost- oder Goldküste profitieren die Menschen schon länger von den Segnungen des wirtschaftlichen Aufschwungs. Mehr als 220 Milliarden Euro investierte China mittlerweile auch in die Modernisierung armer Dörfer in entlegenen Provinzen. Der Parteivorsitzende Xi verkündete deshalb im Jahr 2021 zum 100. Geburtstag der KP Chinas den Sieg über die Armut: 99 Millionen Menschen in ländlichen Gebieten könnten nun ein menschenwürdiges Leben führen.
Steigende Einkommen
Das durchschnittliche Einkommen eines Landbewohners hat sich auf 2.600,- € im Jahr seit 2008 vervierfacht (Der Spiegel, Nr. 6, S.10). Die Masse der Bevölkerung hat in der historisch einmaligen Melange aus „sozialistischer Marktwirtschaft“ die Chance, ihre individuelle materielle Lage zu verbessern. Sie können ihren Kindern eine gute Schulausbildung finanzieren. Diese ermöglicht mehr denn je den Zugang zu gutbezahlten Arbeitsstellen – vor allem bei ausländischen Investoren.
Sieger im Kampf gegen die Covid Pandemie
Auch in Bezug auf die Eindämmung des Coronavirus sehen sich die Chinesen (zumindest bis zu den strikten Lockdown Maßnahmen im Frühjahr 2022) dem Westen überlegen. Die Mehrzahl der Menschen vertraut darauf, dass die verordneten Coronamaßnahmen sinnvoll sind. Sie befolgen stoisch alle Anordnungen und Einschränkungen. Kommt es dennoch zu Protesten, sorgt die staatliche Überwachung und Zensur dafür, dass sich keine Nachrichten darüber z.B. über das Internet verbreiten können.
Die Erfahrungen der jungen Generation
Was hat ein 30jähriger Chinese, der an der Gold- oder Ostküste des Landes lebt, in seinem Leben erfahren? Er musste nie hungern, er konnte die Schule besuchen. Er konnte sich Jeans und Walkman leisten und hat mittlerweile eine Arbeitsstelle, die ihm materielle Sicherheit bietet. Natürlich verfügt er über ein Mobiltelefon, über das er viele Dienstleistungen abwickelt: Er bezahlt mit Hilfe einer entsprechenden App, er gelangt damit in seine Wohnung, er bucht Reisen oder lässt sich Essen liefern. Und wem hat er diese Annehmlichkeiten und Fortschritte zu verdanken? Einer kommunistischen Regierung.
„Kann man das essen?“
Wenn wir im Westen ungläubig fragen, ob chinesische Menschen denn nicht frei ihre Meinung sagen möchten, kann es gut sein, dass das chinesische Gegenüber fragt: „Kann man Meinungsfreiheit essen?“ Auch wenn wir mit unserem kulturell bedingten Wertesystem viele Dinge nicht verstehen (müssen), so sollten wir doch bedenken, dass andere Menschen vor dem Hintergrund anderer Erfahrungen eine andere Sichtweise haben.
Einziger Paragraph des Gesellschaftsvertrages
Der ehemalige Journalist Wolfgang Hirn schreibt in seinem jüngsten Newsletter, dass es zwischen chinesischer Bevölkerung und der KP einen ungeschriebenen „Gesellschaftsvertrag“ gäbe: „Einziger Paragraph: Die Regierung muss es schaffen, dass es dem Volk jedes Jahr besser geht, dass – etwas simpel ausgedrückt – der Durchschnitts-Chinese jedes Jahr mehr Geld in seiner Tasche (oder künftig auf seinem Handy) hat. Die Einhaltung dieses Versprechens ist die einzige Legitimation, die diese Regierung durch ihr Volk hat. Deshalb braucht sie jedes Jahr eine große Portion Wachstum, um alle Chinesen in Lohn und Brot – pardon: Reis – zu bekommen.“
Und was bedeutet das alles für Sie?
Damit dieses notwendige Wirtschaftswachstum realisiert werden kann, braucht China noch immer ausländische Investoren. Es braucht Arbeitsplätze ebenso wie technisches Know-How. Das sind die Chancen des Westens. Allerdings sollten wir uns bei unserem Engagement auch vor Augen halten: China ist sehr selbstbewusst geworden und verfolgt eigene Interessen. Eine gute Vorbereitung und Strategieplanung ist deshalb für westliche Unternehmen wichtiger denn je.
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